Hallo Europa!

Das Titelfoto für blue yellow time ist aufgenommen von der NASA in 2012. So ungefähr müsste es für Außerirdische aussehen, die sich unserem Planeten von der Nachtseite nähern, um nicht gesehen zu werden. Im Jahr 2019, dem Start von blue yellow time, sieht es nicht viel anders aus – vielleicht noch etwas heller dank der jetzt mehr gebräuchlichen LED-Beleuchtung.

Was fällt auf?

Da sind helle und dunkle Bereiche, kleine und große Lichtpunkte, wie mit dünnen Fäden verknüpft. Klar zu erkennen sind etliche Hauptstädte wie Madrid, Paris, Warschau, London, Berlin, Rom, Dublin, Kiew, Budapest oder Zagreb. Andere dagegen verschwinden im Dunklen wie Luxemburg oder  in großen hellen Bereichen, im Benelux genau wie in Portugal scheint man von Beleuchtung viel zu halten. Es ist lediglich dem Fotoformat geschuldet, dass der südliche und nördliche Rand Europas zu kurz kommen, weil Teile davon weggefallen sind. Europa im Ganzen gibt es hier.

Die hellen Bereiche spiegeln auch 2019 noch wider, welche Gegenden Europas stark von der industriellen Revolution des 19. und 20. Jahrhunderts geprägt wurden. In Norditalien direkt unterhalb der Alpen von Mailand bis Venedig, in Großbritannien rund um Manchester mit Liverpool und Leeds, in Deutschland das Ruhrgebiet.

Überall sind die großen Lichtpunkte und -bereiche entlang vieler kleiner miteinander verknüpft, wie in einem Spinnennetz. Während eine schlaue, organisierte Spinne jedoch ihr Netz streng nach Plan möglichst gleichmäßig und von einem Mittelpunkt ausgehend anlegt, scheint das Netz über Europa einfach entlang der historischen Entwicklung gewachsen, erkennbar ist lediglich der Einfluss von Gebirgszügen und großen Flüssen auf die Dichte des Lichtnetzes über Europa. Was dagegen keine Rolle zu spielen scheint, sind die jahrhundertelangen Auseinandersetzungen um Reiche und Grenzen. Obwohl sie unsere Geschichte prägen und unendlich viel Leid verursacht haben, haben sie letztlich keine sichtbare Bedeutung erlangt. Weder Sprach- noch Landesgrenzen haben wirklich darüber entschieden, wie die Europäer ihren Kontinent vernetzt haben.

Was kann man darüber denken?

Menschen, denen bewusst ist, dass Vernetzung und Zusammenarbeit stärker sind als Abschottung und Isolation, gibt es nicht erst, seit man die Erde von außen fotografieren kann. Doch das Bild spricht eine starke Sprache. Es zeigt, dass es tatsächlich so gekommen ist. Europa ist ein großes, vernetztes Ganzes, sogar entgegen aller Konflikte und aller Versuche, dem Fluss von Waren, Menschen und Informationen etwas entgegenzusetzen. Seit der Besiedlung mit Menschen gab es immer ein Netz, immer Verbindungen. Spezialisten für Frühgeschichte und Paläogenetiker haben das zutage gefördert, so handelten Menschen im heutigen England bereits vor 8000 Jahren mit Südosteuropa (Süddeutsche Zeitung am 27.02.2015). Nichts konnte diese Entwicklung aufhalten, das Netz des Austauschs ist mit der Bevölkerungszunahme und dem technischen Fortschritt immer dichter geworden (schön beschrieben im Blog geschichte-wissen.de). Wäre es nicht einfach schlau, zusammen davon Gebrauch zu machen, um heutige Herausforderungen anzugehen? Statt sich gegenseitig und sich selbst Steine in den Weg zu legen, die am Ende doch nichts aufhalten, nur eine Menge Kraft kosten?

Das ist die Sicht von blue yellow time auf Europa. Und dies ist ein Beginn. Wir werden sehen, wo er uns hinführt.

Europa, am 4. Januar 2019.

Ein Kommentar